Konfliktstoff:  Zwei konträre Bibelauslegungen

 

Tathergang:         17. September 1978

"Pfarrer Günther hielt den Gottesdienst. Er ging nach der Schriftlesung in die Sakristei und überschüttete seinen Talar mit Benzin. Er kam mit zwei großen Milchkannen, die mit Benzin gefüllt waren, auf den Altarplatz zurück. Er schüttete den Inhalt der Kannen auf den Teppich und ging zum Altar und hielt beide Arme des benzingetränkten Talars über die brennenden Altarkerzen. Er stand sofort in Flammen. Dabei wurde das Plakat "Wacht endlich auf!" entrollt. Günther sprang mit lautem Schrei in die Benzinpfütze auf dem Altarplatz. Eine Stichflamme zuckte auf, und der ganze Altarraum stand in einem Flammenmeer. Rettungsversuche scheiterten wegen der großen Hitzeentwicklung. Die Gottesdienstbesucher verließen fluchtartig die Kirche. Keine Person kam zu Schaden." 1

Die Sakristei nach dem Löschen des Brandes.

Nach der Selbstverbrennung wurde das Plakat von den Untersuchungsorganen nachgestellt.

 

Charismatische Lehre  vs. tolerantes Bibelverständnis

"Günther besaß ein liberales und tolerantes Bibelverständnis. (...) Er konnte mit seiner Lebensart die Jugendlichen begeistern. Damit stand er im Widerspruch zu der Frömmigkeit der Volksmission, die von den beiden Pfarrkollegen Siegfried Gneuß und Helmut Hampel gewissenhaft gelebt und verkündigt wurde. In den Gemeindekreisen der Volksmission wurden die Geistesgaben Gottes wie Krankenheilung durch Handauflegen oder Gebet, Zungenreden, Prophetie, Befreiung von satanischen Mächten durch Exorzismus erlebt. Die Gemeinde der Volksmission wurde immer größer. Sie unterschieden zwischen den bekehrten und unbekehrten Christen. Auch Zwickauer reisten nach Falkenstein, denen die herkömmliche Gemeindefrömmigkeit nicht genügte. Diese Praktiken entsprachen nicht Günthers Bibelverständnis. Er hielt sie für sektiererisch und setzte sich unbeholfen zur Wehr.

                                                                                         

Auch die Volksmission brachte kein Verständnis für Günthers schlichte Bibelinterpretation und lockere Lebensweise auf. Es entwickelte sich ein unversöhnlicher Konflikt. Beide Seiten wurden intolerant und verfeindeten sich. Man meinte, Günther lebe nicht konsequent nach der Bibel und treibe eine falsche Bibelauslegung. Das Landeskirchenamt schenkte diesem Streit nicht die nötige Aufmerksamkeit. Es überprüfte nicht die Frömmigkeit und Praktiken der Volksmission durch eine Verfahren der Lehrzucht. Günther sah sich allein gelassen und in seinem Kampf mit der Volksmission unverstanden. Er meinte, in Falkenstein seien die "Zwickauer Propheten" auferstanden. Es gelang der Volksmission, einen Kirchenvorstandsbeschluß herbeizuführen. Am 4. September 1978 wählte die Mehrheit des Kirchenvorstandes Günther als Pfarrer wegen "Nichtgedeihlichkeit" ab. Das wurde zum Auslöser der Verzweiflungstat und der öffentlichen Selbstverbrennung. Günther war überzeugt, sich für die reine Lehre der Bibel aufopfern zu müssen. Er wollte ein sichtbares Zeichen setzen, dass nur er allein den richtigen Glauben habe. Mit dem Plakat "Wacht endlich auf!" wollte er die Volksmission und die Kirche zur Umkehr bringen."2

Volksmission
"
Sie ist seit dem 17. Jahrhundert eine charismatische Erweckungsbewegung mit geistlicher Erneuerung. Nicht die Taufe, sondern die Beichte und Sündenvergebung führen zur Bekehrung und zum richtigen Christsein. So schenkt Gott seine Geistesgaben den Bekehrten. Es werden die biblischen Charismen erfahren wie Zungenreden, Krankenheilung, Weissagungen, Visionen, Ekstase..."3

 

1,2,3 und Bilder: Dr. Käbisch : www.dr-kaebisch.de